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VERNISSAGE
Freitag, 08. Dezember 2023, 19-21 Uhr
Die Künstler sind anwesend

AUSSTELLUNG
09. Dezember 23 – 27. Januar 2024

 

natura naturans – eine Gruppenausstellung mit Wim Delvoye, Jens Joneleit, Stephan Kaluza und Feng Lu

Der 1965 in Wervik geborene, belgische Konzeptkünstler, documenta- sowie Biennale-Teilnehmer Wim Delvoye ist bekannt für künstlerische Strategien zwischen Witz, Ironie und Provokation.  Seien es seine tätowierten Schweine, seine religiösen Kunst-Metaphern, seine Stahlskulpturen oder seine Verdauungsmaschinen „Cloaca“: Hier werden die Werte unserer Zeit nicht nur in Frage gestellt – sie werden mitunter höhnisch kommentiert. Seine Arbeiten bestechen durch ihre subversiv-dekorative Ästhetik und sind in einigen der wichtigsten Kunstsammlungen der Welt vertreten.

Bei Delvoye – das zeigen auch die Arbeiten in unserer neuen Gruppenausstellung „natura naturans“ – geht es um das Spiel mit der Verfremdung, um die Divergenz von Schein und Sein, um Verwandlung. Oft arbeitet er in seiner Kunst mit Gegenstände des Alltags, schafft monumentale Nachbildungen von Gasflaschen, Betonmischmaschinen oder Lastwagen, kreuzt ihre Ästhetik mit gotischer Ornamentik oder Rokoko-Formen, gibt ihnen einen neuen Twist. Auf der documenta 9 zeigte er ein Bodenmosaik aus Keramik-Flächen, auf denen Kothaufen dargestellt waren – aus der Distanz wirken sie wie überaus dekorative Arabesken. Es sind die Gegensätze aus Geschichte und Gegenwart, aus Heiligem und Profanem, aus Ornament und Funktion, welche in dieser Kunst so faszinieren.

In der Ausstellung sind auch neue Werke von Jens Joneleit zu sehen. Joneleit, geboren 1968 in Offenbach am Main, ist nicht nur als Komponist Zeitgenössischer Musik international erfolgreich, sondern auch als Bildender Künstler. Seine Malerei ist eine Art von Free Jazz: Ein spielerisches, freies Miteinander von Bildfragmenten zeigt er uns, scheinbar improvisierte Kunst, gelegentlich mit gegenständlichen Resten – durchaus auch in der Tradition des Abstrakten Expressionismus oder der amerikanischen Farbfeldmalerei.

Joneleit ist ein Künstler, der es liebt, zu überraschen: „Bei mir ist es immer so, dass ich oftmals mein gesamtes visuelles Vokabular umkrempele, damit das Malen frisch bleibt und man nicht eine und dieselbe Idee lediglich produziert wie in einer Fabrik“, sagt er. Wir freuen uns auf neue Überraschungen in der Galerie Mond – es werden neue Mittelformat-Arbeiten auf Leinwand präsentiert: Bilder von leichtender, goldener Farbigkeit.

Stephan Kaluza, 1964 in Bad Iburg geboren, will sich ebenfalls nicht festlegen – ist mehrfach talentiert. Der in Düsseldorf lebende Fotokünstler, Autor und Maler hat große, konzeptionelle Serien entwickelt, wie sein fotografisches „Rhein-Projekt (complexe 1)“, bei dem er den Rhein von der Quelle bis zur Mündung im Minutentakt fotografierte. Zigtausende von Fotografien entstanden, die zu einem gigantischen Bild wurden. Solche monumentalen Konzepte schätzt Kaluza. Er fotografierte ehemalige Schlachtfelder, publizierte Theaterstücke, zeigte in seiner Malerei immer wieder die Natur – Naturzustände. Wasseroberflächen, Unterhölzer, Gestrüpp: Bilder, die auf Fotografien beruhen.

Mit dem Wissen um die historische Dimension von Orten wie Verdun, Waterloo oder Oświęcim verändert sich unsere Wahrnehmung. Immer gibt es in Kaluzas Kunst diese weitere, zweite Ebene. „Ein Blick durch den Zaun nach draußen zeigt selbst hier liebliche Felder“, schreibt er über seine Arbeit in Auschwitz. Natürlich: Die Idylle, welche seine Bilder vortäuschen, die gibt es nicht. Stattdessen die Gewissheit: Alles ist fragil, alles ist endlich, alles ist flüchtig.

Kaluza ist Künstler, Kunsthistoriker und Philosoph. Er sagt über seine Kunst: „Der tiefere Grund dieser Einverleibung von Motiven liegt sicher in der Sehnsucht nach Einklang und Einswerdung mit dem Wahrgenommenen, und zwar auf eine überraschende, unplanmäßige Art.“ In der Ausstellung sind Arbeiten aus seiner Werkgruppe „Transit“ zu sehen – vermeintliche Idyllen, Orte menschlicher Abgründe, wie etwa jene Brandung an der brasilianischen Küste, in der er vor einigen Jahren beinahe ertrunken wäre. Malerei, die man bereits als eine „Durchgangstation“, als einen bewegt-bewegenden Transit der Flüchtigkeit begreifen kann.

Feng Lu schließlich, geboren 1979 in Harbin in China, heute nach vielen Jahren in Berlin wieder in seiner Heimat lebend, ist Bildhauer. Auch er überrascht uns in dieser Ausstellung mit ungewöhnlichen Werken: Er formt seine Skulpturen in Ton, um danach eine Silikonkautschuk-Form zu gießen, die mit Epoxidharz ausgegossen wird. Diese Formen werden mit Ölfarben bemalt. Auch in seinem Werk geht es, wie in den Arbeiten der drei anderen Künstler, um Kontextverschiebungen, um Metamorphosen.

Feng Lus künstlerische Mittel sind die Ironie, die Provokation, die überbordende Lust an der Narration – seine Skulpturen sind verspielt und bunt. Neben diesen Figuren schafft der Künstler auch Zeichnungen, die ebenfalls Beleg für die Schönheit seiner Kunst sind, in der es immer um Reflexion geht: über die Kunst, über die Religion, über die Welt, in der wir leben.

Auch seinem mitunter grotesken, ungemein detailreichen Werk – das zwischen Traum und Wirklichkeit mäandert – wohnt das Motiv der Verwandlung, der Metamorphose inne. Wir freuen uns auf eine neuerliche Verwandlung der Galerie Mond – mit vier ganz ureigenen, faszinierenden Positionen zeitgenössischer Kunst. Der Titel der Schau ist „natura naturans“, die „schöpferische“ oder „hervorgebrachte“ Natur: Wir dürfen beim Betrachten über solche Fragen nachdenken: Was ist die Natur heute? Kann es eine unverfälschte Natur noch geben? „natura naturans“ ist die mythologische Natur, der diese Ausstellung auf außerordentliche Weise nachspürt.

(Marc Peschke)

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