VERNISSAGE MIT ARTIST TALK
Mittwoch, 27. September 2023, 18-20 Uhr
Dieter Nuhr im Gespräch mit Thomas Rusche
Der Kunstphilosoph PD Dr. Dr. Thomas Rusche führt in die Ausstellung ein und spricht mit Dieter Nuhr über sein Leben als bildender Künstler
AUSSTELLUNG
28. September – 21. Oktober 2023
Dieter Nuhr – Lob der Ferne
Dieter Nuhrs Werk als Bildender Künstler ist seit langem schon eng mit seinen Reiseerfahrungen verbunden. In der Ausstellung in der Galerie Mond in Berlin zeigt er Mixed-Media-Arbeiten aus digitaler Malerei und Zeichnung, Lack auf Leinwand, die immer wieder um die Faszination des Unterwegs-Seins kreisen. Kathmandu, Venedig, Mani auf dem Peloponnes, Dakar, Varanasi, die Cala Conta auf Ibiza, Yangon in Myanmar, Rio de Janeiro, der Nationalpark Djoudi im Norden des Senegal, Tuschetien in Ost-Georgien, die italienischen Dolomiten, Brixen – alle diese Orte hat Nuhr besucht und dort fotografiert. „Nirgendwo spürt man die Existenz der Welt so direkt und eindringlich wie beim Reisen“, sagt er.
Nuhr ist ein Künstler, der eine neue Welt einfangen und schaffen will, in ihren Eigenarten und Unterschieden. Die Fotografie ist ein Medium, welche das Verschwinden der Dinge in ganz besonderer Weise aufzuzeichnen vermag – und diesem Verschwinden der Eigenheiten, des Einzigartigen, setzt Nuhr seine Kunst entgegen. Nuhr spürt es auf, fotografiert es. Sucht den Glanz des Diversen.
In der weiteren Bearbeitung tritt das Rätselhafte dieser Orte umso deutlicher in Erscheinung. Wir sehen Werke an der Schwelle zwischen Fotografie und Malerei, sich auflösende Strukturen, ein Aufweichen von Grenzen und ehemals starren Einheiten. Diese digitale Malerei, die auf Fotografien fußt und diese überlagert, aber auch Zeichnungen von Menschen beinhaltet, tendiert zur Abstraktion. Sie legt, verschleiert und verschwommen, tiefere Schichten frei, will sich aber nicht ganz vom Figurativen lösen.
Das Paradoxe dieser Kunst ist: Sie erzählt von Erinnerung, von Vergangenheit, von dem, was da ist und gewesen ist – und dennoch ist sie ein Beispiel der Faszination digitaler Techniken. In der Dunkelkammer des Computers entstehen geheimnisvolle, rätselhafte Bilder, subjektive Fotografien, welche die Phantasie des Betrachters anregen.
Die Ausstellung „Lob der Ferne“ von Dieter Nuhr vereinigt ganz verschiedene Stränge des Fotografischen, der Kunst und des Denkens. Sie knüpft an die Tradition der Reisefotografie an, die sich aus der Dokumentation wissenschaftlicher Erkundungen im 19. Jahrhundert entwickelte, zitiert die Subjektive Fotografie der Nachkriegszeit, erinnert an die These des französischen Philosophen Baudrillards, der die Fotografie als Möglichkeit begriffen hat, das Verschwinden des Realen, die „Abwesenheit der Welt“ festzuhalten.
Das Werk Nuhrs trägt auch romantische Züge. In der Landschaft, in der Natur entdeckt der Mensch, was ihm seine Gegenwart allzu oft versagt: einen Raum der Kontemplation, ein Wiedererkennen des Eigenen, eine sinnliche Rückbesinnung auf Vergangenes. Auch das zeigen diese Bilder auf berührende Weise.
(Marc Peschke)